25 Jahre Romengeri Flogoskeri Utschi Ischkola/ Roma-VHS
14.12.2024 | VHS
Im Bild: Mit der "Roma-Sonne" ausgezeichnete Kollege*innen sowie Ehrengäste des Festakts in Oberwart am 14.12.2024. Im Vordergrund: Der Leiter der Roma-VHS Horst Horvath
Auch noch Jahrzehnte nach dem Krieg war es im Bildungsbereich üblich, Roma-Kinder in Sonderschulklassen abzuschieben. Oder an verschiedenen Orten möglich beim Arbeitsamt Ausschreibungen mit dem Vermerk „Bitte keine Zigeuner vermitteln“ versehen zu lassen. 1991 haben sich bei der Volkszählung nur 122 Personen als Rom/Romni bezeichnet. Expert*innen bzw. Betroffene stellen demgegenüber heute fest, dass die Situation der Roma und Romnija in Österreich zwar besser geworden ist, dass Rassismus und Diskriminierungserfahrungen abgenommen haben, aber weiter im Alltag vorkommen.[1] Das gilt ebenso für den Bildungsbereich. Es gibt hier heute zwar zahlreiche Initiativen und positive Projekte, wie z.B. NEVO DROM (Neuer Weg) im Rahmen der Wiener Volkshochschulen.[2] Gleichzeitig wurde etwa im Studienbericht ROMBAS festgehalten, dass sich in den Befragungen der Betroffenen viele Beispiele finden lassen, „die auf eine Benachteiligung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit oder, im Fall von Roma mit Migrationshintergrund, auch aufgrund der nationalen Herkunft der Betroffenen schließen lassen, wodurch ihre Bildungskarrieren maßgeblich negativ beeinflusst wurden.“[3]
Politischer Grundkonsens!?
Auch auf der politischen Ebene ist das Bild nicht eindeutig. Es herrscht heute zwar auf EU- und Regierungsebene ein Grundkonsens gegen Ausgrenzung und Diskriminierung vor: Zentraler Bestandteil des EU-Aktionsplans gegen Rassismus 2020-2025 ist das Ziel die Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe von Roma und Romnija umzusetzen. Der Europäische Rat nannte 2021 in den entsprechenden Empfehlungen hier explizit die Forderung, u.a. den Zugang zur Erwachsenenbildung zu unterstützen: „Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass alle Roma wirksamen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungsformen und -stufen haben und an ihnen teilnehmen können, von der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung bis hin zur Hochschulbildung, einschließlich des zweiten Bildungswegs, der Erwachsenenbildung und des lebenslangen Lernens.“ Ebenso empfahl er u.a. „Maßnahmen, mit denen die Teilnahme an informellen Lernangeboten und außerschulischen Aktivitäten unterstützt wird, einschließlich Angeboten in den Bereichen Jugend, Sport und Kultur im Rahmen der Gesundheits- und staatsbürgerlichen Bildung, sowie anderen Aktivitäten zur Förderung der Selbstentwicklung, der psychischen Belastbarkeit und des Wohlbefindens.“[4]
Gleichzeitig gibt es aber deutliche Hinweise, dass die bisherigen politischen Bestrebungen zur Gleichstellung bei Weiten nicht ausreichen, um die genannten Ziele zu erreichen.[5] Und negative Beispiele dafür, wie über das „Roma-Thema“ auch heute noch, im negativen Sinne, politische Profilierung gesucht wird.[6] Weniger Beachtung findet – zumindest in den Regierungsdokumenten – zudem ein weiterer, wichtiger Aspekt. Nämlich, dass trotz der jahrhundertelangen Diskriminierung, Rom*nja und Sinti*zze „die Kultur und Gesellschaft Europas stark geprägt und mitgestaltet“ haben.[7] Und, dass Verbesserungen in der Situation von Roma und Romnija nicht von den Aktivitäten und der Selbstorganisation der Betroffen zu trennen sind.
25 Jahre Romengeri Flogoskeri Utschi Ischkola
Gerade auch die Gründung der „Roma-Volkshochschule“ (1999) erscheint hier v.a. untrennbar verknüpft mit den Fortschritten, aber auch den mörderischen Anschlägen und der gesellschaftlichen Reaktion auf diese (1995), welche die 1990er Jahre prägten. Dies legt bereits die zeitliche Abfolge nahe: 1989 erfolgte die Gründung des ersten Roma-Vereins in Oberwart, 1993 die Anerkennung der Roma und Romnija als Volksgruppe, 1999 schließlich die Eröffnung der Roma-Volkshochschule.
Ebenso ist es aber auch kein Zufall, dass sich der Kampf und die Emanzipationsbestrebungen der österreichischen Roma und Romnija auch in der Volkshochschulbewegung niederschlägt. Die Österreichischen Volkshochschulen entstanden in der Zeit der Entwicklung demokratischer und sozialer Bewegungen und Institutionen. „Bildung für alle" ist heute wie damals Grundprinzip der Volkshochschularbeit, gut erreichbar, niederschwellig zugänglich und abgestimmt auf Bedürfnisse und Bedarfe der jeweiligen lokalen Bevölkerung. Dass gerade auch die „Roma-Volkshochschule“ Teil einer Entwicklung sozialer und demokratischer Bewegungen ist, wurde soeben beschrieben. Sie leistet durch ihre konkrete Arbeit – v.a. auch durch ihr Ziel den Austausch zwischen Roma und Romnija und interessierten Nichtroma zu fördern – aber nicht nur einen zentralen gesellschaftspolitischen Beitrag für die Roma und Romnija selbst bzw. die gesamte Bevölkerung des Burgenlandes. Sie ist vor allem auch ein Fixstern im Universum der österreichischen Volkshochschulen, deren demokratisches und emanzipatorisches Profil sie insgesamt stärkt und mitprägt. In diesem Sinne ist die Zukunft unserer gemeinsamen Bildungseinrichtungen eng mit der Entwicklung der Demokratie in Österreich verknüpft bzw. ggf. auch entsprechend gefährdet. Und in diesem Sinne werden wir Seite an Seite gerade auch im Rahmen der österreichischen Volkshochschulbewegung weiter für die Stärkung und Verteidigung demokratischen Rechte eintreten. (Dieser Artikel wurde für die Cajtung der Roma VHS verfasst)
[1] https://www.katholisch.at/aktuelles/147891/expertin-situation-der-roma-i...
[2] https://www.vhs.at/de/projekte/nevodrom
[3] https://initiative.minderheiten.at/wordpress/wp-content/uploads/2019/06/...
[4] EMPFEHLUNG DES RATES vom 12. März 2021 zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma
(2021/C93/01)file:///C:/Users/john.evers/Downloads/empfehlung%20des%20rates%20zur%20gleichstellung%20inklusion%20teilhabe%20der%20roma.pdf
[5] Vgl.: https://www.volkshilfe.at/roma-sinti/
[6] https://www.fpoe-linz.at/fp-fraktionsobmann-grabmayr-begrust-spate-ovp-e...